„Geh sterben!“ sagte meine Schülerin vor kurzem zu einer Mitschülerin. Im Psalm 109 hört sich das ähnlich an, wenn zum Psalmist gesagt wird, dass seine Kinder Waisen werden sollen und seine Frau Witwe. Ja, sogar alle seine Nachkommen sollen vernichtet werden! Der Beschimpfte weiß, dass er ein „Mopfer“ ist, eine „lächerliche Gestalt“ (Vers 25) die die anderen anscheinend förmlich herausfordert, ihn fertig zu machen.
In der Schule gingen die immer wüsteren Beschimpfungen hin und her. Der Psalmist geht aber anders mit den Angriffen auf ihn um. Er wendet sich an Gott. Er bittet Gott darum, dass die Wünsche seiner Feinde nicht wahr werden, sondern, dass Gott ihn segnet, auch wenn andere ihn verfluchen (Vers 28). Wer sich in so einer Situation an Gott wenden kann, der hat für sich erkannt, dass Menschen nicht seinen Wert bestimmen. Der kann in Gottes Segen mehr Halt finden als in den Verfluchungen der Mitmenschen. Was sich so einfach liest, ist in Realität ein großes Gottesgeschenk.
Vielleicht ist es aber auch eine totale Selbstüberhöhung, dass wir uns sofort mit dem Psalmist identifizieren, mit dem Opfer. Ich bin wohl öfter Täter als Opfer. In Gedanken wünschte ich in mancher Facebook-Diskussion Coronaleugnern einen schweren Verlauf. Geht es dir wie mir, gilt noch mehr die Mahnung des Psalm 109: Wenn wir mit einem Gefühl des Hasses auf jemanden meinen, Gott an unserer Seite zu haben, dann liegen wir falsch. Aus unserem Hass, unseren schlechten Wünschen für den anderen wird Gott Segen entstehen lassen – für den, den wir gerade eigentlich so verfluchen.
Gott der Gerechtigkeit, segne uns, wo andere uns verfluchen, segne andere, wo wir verfluchen, Nimm uns das Gefühl im Recht zu sein, wo wir Hass empfinden. Zeige uns Wege aus Streit und Missgunst, wo wir gar keine Wege sehen wollen, Du bist der Gott der Liebe, der Gottesliebe, der Nächstenliebe, der Selbstliebe, der Feindesliebe. Da wo du bist, ist kein Platz für Hass.
Amen.