2. Korinther 9,6-8
Liest du die Verse 6 und 7 wirst du ein bestimmtes Gefühl nicht los. Vers 6 beschreibt, dass wer sparsam sät auch sparsam ernten wird. Wer mit vollen Händen freigiebig aussät, wird ebenso reich ernten. Die Logik der Gleichung ist unübersehbar, der persönliche Gewinn attraktiv. Das Ziel scheint klar und lohnenswert: Reich ernten! Und die entscheidende Frage dafür scheint: Wie kann ich maximal freigiebig sein, um reich zu ernten?
Wer jetzt die dafür passende Strategie erwartet, wird überrascht sein. Statt einer Erklärung der Methodik, die meinen Gewinn garantiert, setzt Paulus eine für den Leser gegensätzlich These. Anstatt auf die freigiebige Aussat einzugehen, um den Leser darin zu befähigen, reichlich ernten zu können, scheint Vers 7 plötzlich etwas ganz Neues zu behaupten: Jeder soll so viel geben, wie er sich in seinem Herzen vorgenommen hat. Augenscheinlich hat diese Aussage nichts mehr mit Vers 6 zu tun, der mir noch meinen persönlichen Gewinn schmackhaft vor Augen führt und für den ich bereit bin, viel zu investieren. Die anschließenden Sätze als Erklärung machen es noch schlimmer. Paulus bekräftigt: Es soll dem Geber auf keinen Fall Leid tun, was immer er auch gibt, der Gebende soll nicht zwanghaft geben. Und wäre das nicht schon genug, fällt Paulus zum Ende des siebten Verses ein Urteil: Gott liebt einen fröhlichen Geber!
These 1 oder These 2?
In Erinnerung an Vers 6 ist spätestens hier Kopfschütteln nachvollziehbar: Soll ich mich am Gewinn, der ein bestimmtes Handeln voraussetzt oder an meiner freien Herzenshaltung orientieren, was auch immer der Ertrag dabei sein mag?
Lass mir dir eine ehrliche Frage stellen dürfen: Für welche These schlägt dein Herz?
These 1: Wer viel gibt, bekommt viel! Vers 6
These 2: Bleib authentisch und deinem Herzen treu, lass dich nicht bedrängen! Vers 7
Wichtig zu berücksichtigen ist, dass beide Thesen für sich sehr gut sind, immerhin geht es hier um das spenden von Gaben. These 1 ist auch nicht besser als These 2 und umgekehrt. Und genau hier an dieser Stelle liegt ein Problem, das es zu lösen gilt! Die meisten Menschen handeln entweder nach These 1 oder nach These 2. Wenn du aber feststellst, dass du Beidem nicht gerecht werden kannst, irgendetwas stimmt nicht, dann hast du vollkommen Recht! Selbst wenn du dir Freigiebigkeit, maximalen Gewinn und zusätzlich dazu ein authentisches Herz möchtest, das diese Dinge ohne Bedrängnis wünscht, bleibt die entscheidende Frage: Wie?
Interessant: Die Verse 6 und 7 drehen sich nur um den Menschen an sich. Paulus beginnt mit Vers 8 sofort im Wohlwissen um das menschliche Anspruchs-Dilemma mit: „Gott aber kann…“, um dann in der Situation aus den zwei vorangehenden Versen zu sagen: „Er hat die Macht, euch mit all seiner Gnade zu überschütten, damit ihr in jeder Hinsicht und zu jeder Zeit alles habt, was ihr zum Leben braucht, und damit ihr sogar noch auf die verschiedenste Weise Gutes tun könnt.“ Ausdrücke wie „zu überschütten“, „in jeder Hinsicht“, zu „jeder Zeit“ und „sogar noch auf die verschiedensten Weisen“ lassen keinen Zweifel mehr zu.
These 3
Ist es möglich, dass genau hier unser eigentliches, unser aller menschliches Dilemma liegt? Kann es sein, dass das Problem gleichzeitig die Lösung ist? Wenn Gott aber mit mir kann und ich These 1 und 2 eben nicht zeitgleich umsetzen kann, ist das für Paulus kein Problem, besser gesagt: Es ist die Lösung! Die Botschaft: Nur und alleine für Gott ist das möglich. Nennen wir diesen Umstand These 3: Ich will ja, aber kann ich? Ich wache auf, lasse Gott mein Gott sein, beende mein kontrollieren wollen und erkenne. Vers 9 spricht das dazu entscheidende Bibelzitat: „In der Schrift heißt es ja ´von dem, der in Ehrfurcht vor Gott lebt`: Er teilt mit vollen Händen aus und beschenkt die Bedürftigen; das Gute, das er tut, hat für immer Bestand.“ und Vers 10 nimmt Bezug auf Gott, der uns sogar „mit Samen für die Aussaat versehen und dafür sorgen, dass sich die ausgestreute Saat vermehrt und dass das Gute, das ihr tut, Früchte trägt.“ In Konsequenz führt das Gute nach These 3 erstaunlicherweise nicht nur zur materiellen Versorgung, sondern darüber hinaus zu einem vielfachen Dank der Empfänger an Gott (Vers 12f). Daher wird schon das reiche Geben aus Vers 7 in einigen Übersetzungen auch mit „segensreich“ übersetzt. Ein Gott dankbarer Mensch – es gibt kaum etwas Schöneres! Was löst das in dir aus? Mit welcher These startest du heute deinen Tag?
These 1?
These 2?
These 3?